Axel Pohlmann, Alt-Großmeister der Großloge A.F.u.A.M.v.D. und Alt-Stuhlmeister der Loge Zur alten Linde

In Dortmund bestanden – und bestehen noch heute – die Loge Zur alten Linde Nr. 368, gegründet 1855 als Tochterloge der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln, geschlossen im Juli 1935, wieder konstituiert 1947 als Loge der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, und die Loge Reinoldus zur Pflichttreue Nr. 598, 1908 gegründet, 1910 installiert mit einem Patent der Großen Landesloge von Deutschland – Freimaurerorden -, im Juli 1935 geschlossen, wieder konstituiert 1947 unter derselben Großloge1. Die „alte Linde“, die in der Viktoriastr. 9 im eigenen Logenhaus arbeitete, hatte zum Ende der 1920er Jahre über 430 Mitglieder, „Reinoldus“ arbeitete mit 165 Brüdern ebenfalls im eigenen Haus Poststr. 20.2

Am 31. Juli 1921 fand im „Logenheim, Hamburgerstr. 32“ die Lichteinbringung der „Loge zum Freistuhl“ statt.3 Das war eine Gründung des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne (FzaS), eines 1907 auf der Grundlage des „Monismus“ entstandenen, von den übrigen deutschen Großlogen nicht anerkannten Bundes, dem später v. Ossietzky und Tucholsky angehörten, auf die wir uns so gern als Freimaurer berufen.4 Die Gründer waren Dortmunder, die in einer Loge des FzaS in Gelsenkirchen („Glückauf zur Tat“) aufgenommen worden waren und ca. 1914 ein freimaurerisches „Kränzchen“ in Dortmund bildeten. Nach der Erinnerung eines Mitgründers wurde die Loge schon 1919 gegründet.5 Das Zeichen der Loge war die alte Dortmunder Linde mit dem von der Seite gesehenen Freistuhl (Bastion mit Tisch und Bank), in einem von einer Kette umgebenen Kreis angeordnet mit einem sechseckigen Stern, Winkelmaß und Zirkel, Rose, Kelle, Hammer und zwei verschränkten Rechtecken.6 Die Loge bestand nach dem Dortmunder Einwohnerverzeichnis noch 1929 und tagte im Logenhaus der Loge „Rote Erde“, Rosental 9, einer 1904 gegründeten Loge des Druidenordens7, zusammen mit einer Loge „Westfalentreue“, über die ich bisher nichts ermitteln konnte.8

Bild: Jean-Claude Rod, gemalt für Jürgen Alexander Fischer (1942 – 2000, Mitglied der Loge Zur alten Linde von 1982 bis zu seinem Tod)

Offenbar wurde die „Loge zum Freistuhl“ ca. 1929 wieder zu einem „Kränzchen“ heruntergestuft, denn in Dalen’s Kalender wird sie mit 8 Brüdern als solches geführt, gegründet 17.5.1928 (!), „unter der Aufsicht der Johannisloge Friede und Fortschritt in Elberfeld“, einer 1924 gegründeten Loge, die zur „Großloge zur Sonne“ gehörte – die Loge hatte sich also „regularisiert“9, indem sie einer von den anderen anerkannten, aber doch liberal verfassten Großloge beitrat, die bis 1929 ein „weißes Buch“ statt der Bibel auflegte.10

Hermann Frank (1844 – 1944 (KZ Auschwitz)), Mitgründer der Loge Einigkeit

Schon 1922 schieden 13 Dortmunder Brüder („11 christliche und 2 jüdische“) aus der Loge zum Freistuhl aus, weil sie sich an dem „zum Dogma erhobenen Monismus“ stießen. Sie ließen sich in der Frankfurter Loge Zur Einigkeit aufnehmen. Dabei wurden sie „regularisiert“, d.h. ihre Aufnahme, Beförderung und Erhebung wurden wiederholt, wenn auch innerhalb nur zweier Tage, am 23. und 24. Juni 1923.11 Diese Brüder gründeten am 22. Januar 1923 die „Johannis-Loge Einigkeit am Hellweg“, mit dem Logenheim 1927 im Eintrachthaus an der Predigerstraße12, 1928/1930 im Hause Schwanenwall 8/10, Eingang Gänsemarkt 3, mit „ca. 30“ Mitgliedern.13 Das Bijou der Loge bestand aus einem Dreieck mit einbeschriebenem Namen und Ort, einem darin stehenden neunzackigen Stern, darin drei ineinander verschlungene Hände und eine umlaufende Kette.14 Die Loge gehörte von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung der „Großen Mutterloge des Eklektischen Freimaurerbundes“ in Frankfurt/Main an.

Am 13.3.1924 bildete die Loge einen Verein, der am 10.4.1924 im Vereinsregister des Amtsgerichts Dortmund eingetragen wurde.15 1927 hatte die Loge 25 Mitglieder16, 1928/29 hatte sie 27 Mitglieder, einen ständig besuchenden Bruder und drei Ehrenmitglieder17, 1930 „ca. 30 Brüder“.18 Es ist anzunehmen, dass die Mitgliederzahl sich in den Jahren 1931 bis 1933 stark verminderte, wie bei den großen Logen auch. Bereits am 28.3.1933 beschloss die Mitgliederversammlung der Loge die Auflösung des Vereins19, nachdem die Großloge des Eklektischen Bundes ihre Auflösung am 20.3.1933 beschlossen hatte.20

Nach 1945 traten der bereits erwähnte Br. Willersen21 und Br. Wilhelm Krüger22 – sie waren befreundet – in die Loge Zur alten Linde ein. 

Axel Pohlmann. 2014

Quellen:

  1. Jahresangaben u.a. nach Karl-Heinz Francke, Ernst-Günther Geppert, Die Freimaurer-Logen Deutschlands und deren Grosslogen 1737-1985. Bayreuth 1988. S. 94. Dort fehlen allerdings alle FzaS-Logen, soweit sie nicht später in reguläre Logen umgewandelt wurden. ↩︎
  2. Vgl. C. van Dalen’s Kalender für Freimaurer, 77. Jg. Leipzig 1926. S. 141. ↩︎
  3. Kopie der Einladung zur Lichteinbringung, durch Br. U. Flechtner, Paderborn. An Namen aus dieser Loge sind derzeit nur bekannt: Bei der Lichteinbringung 1921 ein Br. Dr. Lambeck, vermutlich = Dr. Otto Lambeck, Syndikus, 1929 Kronprinzenstr. 157, und 1930 Herrmann Bondy, Photograph, Schliepstr. 6, sowie 12 der 13 später ausgeschiedenen Brüder (s.u.). – Allerdings wird eine Dortmunder „Loge Zum Freistuhl“ am 19.10.1907 in der „Dortmunder Zeitung“ erwähnt anlässlich der Stiftung von 50 M zum Kinderhilfstag; es ist möglich, dass es sich um eine Deputationsloge oder ein „Kränzchen“ handelte. ↩︎
  4. Vgl. Johannes Drechsler, Die Brüder vom FZAS. Hamburg 1971; Hans-Detlef Mebes, Zur Gründung und ersten Entwicklungsgeschichte eines „Allgemeinen Freimaurer-Bundes auf monistischer Weltanschauung“, des nachmaligen (Reform-) „Freimaurerbundes Zur Aufgehenden Sonne“, in: Paul Ziche (Hrsg): Monismus um 1900. Berlin 2000, S. 129-154 (Kopie vom Verfasser). ↩︎
  5. Handschreiben des Br. Gerhard Willersen (1886-1966) anlässlich seiner Annahme in der Loge zur alten Linde an den Sekretär Br. Walter am 29.5.1949, im Logenarchiv (Personalakte Willersen). ↩︎
  6. Beschrieben nach der Kopie der Einladung, sh. Fußn. 3. ↩︎
  7. Adressbuch des V.A.O.D. in Deutschland, hrsg. von der Reichs-Grossloge 1912, S. 285, und Adressbuch des Deutschen Druidenordens (V.A.O.D.) in Deutschland, 1927, S. VII/3. (Kopien aus dem Freimaurermuseum Bayreuth.) 1927 hatte die Loge 76 Mitglieder! ↩︎
  8. Dortmunder Einwohnerbuch 1929. Bei Friedr. Hasselbacher, Entlarvte Freimaurerei, Bd. 1: Das enhüllte Geheimnis der Freimaurerei in Deutschland, Berlin 1934, S. 98, werden für Dortmund als FzaS-Loge eine Loge „Glückauf zur Brudertreue“ aufgeführt und die Logen „Rote Erde“, „Westfalentreue“ und „Zum Freistuhl“ dem Druidenorden zugerechnet (was nur für die erste stimmt). – In Dortmund bestand außerdem eine Loge des Odd-Fellow-Ordens, nämlich „Arminius-Loge Nr. 2 von Westfalen“, die 1932/33 mit 73 großenteils jüdischen Mitgliedern im Haus Rathenau-Allee 54 (heute Hainallee) arbeitete, lt. „Odd Fellow-Adreßbuch für das Jahr 1932/33“, 46. Jg., S. 534 (Kopie aus dem Freimaurermuseum) und sich im April 1933 auflöste (Veröffentlichung des Registergerichts in der Zeitung „Tremonia“ 25.4.1933). ↩︎
  9. C. van Dalen’s Kalender für Freimaurer, Statistisches Jahrbuch für 1930, bearb. Hugo Schmidt, 69. Jg., Leipzig 1930, S. 153. Zur Wuppertaler Loge: Francke/Geppert, wie Fußn. 1, S. 233. ↩︎
  10. Hinweis Br. Hans-Detlef Mebes 17.7.2002. ↩︎
  11. Brief des Br. Willersen, wie vor. – Nach dem Mitgliederverzeichnis 1928/29 – vgl. Fußn. 13 und neuerdings die „Matrikel“, Stand 2024 – sind 12 am 23./24.6.1923 aufgenommene Mitglieder zu identifizieren: Jakob Brand, Kaufmann, * 1875; Bernhard Faddegon, Dentist, * 1888; Richard Fenske, Juwelier, * 1886; Hermann Frank, Kaufmann, * 1874; Peter Gohr, Amtsanwalt in Iserlohn, * 1870; Gerhard Hendricks, Handelsvertreter, * 1882; Heinrich Honermeier, Lehrer (später Rektor), 1884-1967; Heinrich Riemann, Kaufmann, * 1888; Dr. Hugo Rühlmann, Privatlehrer, * 1867; Max Schön, Generalagent, * 1876; Dr. jur. Lothar Engelbert Schücking, Rechtsanwalt und Notar, 30.4.1873-2.2.1943; Gerhard Willersen, Steiger, 1886-1966. Das bekannteste Mitglied war sicher Lothar Schücking, ein Enkel des Droste-Hülshoff-Freundes Levin Schücking; er war zunächst Bürgermeister in Husum; aus dem Amt schied er 1909 als Folge einer Schrift „Die Reaktion in der inneren Verwaltung Preußens“ aus, mit großem Eklat. 1919 (bis?) für die SPD Stadtverordneter, Anfang der 1930er Jahre den Kommunisten nahestand und zu den Gründern des Immermann-Bundes zählte; 1833.1943 lebte er in Sassenberg bei Münster; sein Bruder war Dr. phil. Levin Ludwig Schücking, * 29.5.1878, 1925-1944 Professor der engl. Sprache u. Literatur an der Univ. Leipzig, dann Erlangen (Levin Ludwig Schücking: Plaudereien mit Lothar Engelbert, Bamberg 1948; Alois Klotzbücher, Literarisches Leben in Dortmund, Dortmund 1984, S. 144f; vgl. auch Wikipedia-Artikel Lothar Engelbert Schücking, von mir 2011 eingesehen, und – sehr ausführlich – Reinhold Lütgemeier-Davin „Demokrat, Pazifist, Jurist, Verwaltungsreformer Lothar Schücking“, in Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark Bd. 91 -2000-, S. 87-140). Die Berufe der später eingetretenen Mitglieder waren 1928/29: Dipl.-Ing. in Moskau, 2 Vers.-Direktoren, davon einer in Berlin, 2 Lehrer (davon ein Privatlehrer), 6 Kaufleute, davon einer in Köln, Bankbeamter, Hautarzt, Telegraphen-Oberinspektor, Fabrikant von Bäckereimaschinen, Drogist, Möbelhändler, Prokurist in Berlin, Opernsänger, Caféinhaber, Generalagent. Die soziale Zusammensetzung entsprach damit in etwa derjenigen der Loge Zur alten Linde.  ↩︎
  12. van Dalen’s Kalender 1928 a.a.O. ↩︎
  13. Kopie des Mitgliederverzeichnisse 1928/29 aus der Bibliothek des Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth (einziges dort vorhandenes Verzeichnis), außerdem C. van Dalen’s Kalender für Freimaurer, Statistisches Jahrbuch für 1930, 69. Jg., bearb. von Hugo Schmidt, Leipzig 1930, S. 153. ↩︎
  14. abgebildet wie Fußn. 8. ↩︎
  15. Vereinsregister des Amtsgerichts Dortmund Nr. 265, Archiv des Amtsgerichts. ↩︎
  16. van Dalen’s Kalender 1928 a.a.O. ↩︎
  17. Lt. Mitgliederverzeichnis. ↩︎
  18. van Dalen’s Kalender 1930, a.a.O. ↩︎
  19. Lt. Vereinsregister, s.o. ↩︎
  20. Francke/Geppert, Die Freimaurer-Logen Deutschlands, 1988, S. 313. In dem Buch wird die Auflösung der Dortmunder Loge auch schon für den 20.3.1933 angegeben, was möglicherweise für die Auflösung als Loge, aber nicht als Verein zutrifft. ↩︎
  21. sh. Fußn. 5. Er wurde 1948 von der Loge angenommen. ↩︎
  22. 1897-1961. Vorstandsmitglied und Direktor der Eisen und Metall AG in Essen, wo er auch wohnte. ↩︎